EU-Projekt: 7,5 Millionen Euro für Forschung zu Präzisionsmedizin bei chronischen Darmentzündungen

Von PMI-Mitglied Prof. Andre Franke koordiniertes internationales Team will die Prävention von Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa mithilfe von Präzisionsmedizin und stärkerer Einbindung der Betroffenen verbessern.

Bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa führt eine gestörte Immunantwort zu einer chronischen Entzündung des Magen-Darm-Trakts, die in Schüben immer wieder aufflammt. Symptome wie Bauchschmerzen, Müdigkeit und rektale Blutungen schränken das Leben der Betroffenen meist erheblich ein. Auch die unvorhersehbaren Wechsel zwischen Schüben und beschwerdearmen Phasen können zu psychischen Belastungen führen. In der Europäischen Union (EU) sind mehr als drei Millionen Menschen von CED betroffen, die jährlichen Gesundheitskosten belaufen sich auf etwa fünf Milliarden Euro.

Um die persönlichen und sozioökonomischen Belastungen zu reduzieren, haben sich Forschende aus neun Ländern unter Kieler Leitung im EU-Forschungsprojekt miGut-Health zusammengeschlossen mit dem Ziel, die Erkrankungen zukünftig früher zu erkennen und zu therapieren. Dazu möchten die Beteiligten bereits bekannte Biomarker und potentiell krankmachende Antigene wie Gluten genauer untersuchen aber zeitgleich auch neue identifizieren, sowie personalisierte Präventionsmaßnahmen und neue Strategien zur Einbeziehung von Patientinnen und Patienten entwickeln. Koordinator des Forschungsprojekts ist Professor Andre Franke, Vorstandsmitglied des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) und Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel. Weitere PMI-Mitglieder sind mit eigenen Unterprojekten maßgeblich beteiligt. Ko-Koordinatorin ist Professorin Jurgita Skieceviciene von der Litauischen Universität für Gesundheitswissenschaften. miGut-Health wird in den nächsten vier Jahren mit insgesamt 7,5 Millionen Euro von der EU und dem Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) gefördert.

Förderung der Darmgesundheit durch aktive Beteiligung der Betroffenen

Der offiziellen CED-Diagnose gehen oft schon Jahre vorher molekulare Veränderungen im Darm voraus. Diese schon frühzeitig zu erkennen und somit Menschen mit erhöhtem Risiko für eine CED-Erkrankung zu identifizieren, ist ein wesentliches Ziel des Projekts.  Das Team von miGut-Health will Menschen mit CED oder einem erhöhten Risiko daran zu erkranken, durch die Entwicklung modernster Strategien zur frühzeitigen Krankheitsvorhersage, Prävention und Gesundheitsüberwachung unterstützen. Erreicht werden soll dies durch datengestützte Ansätze, individualisierte Präventionsmaßnahmen (z. B. Ernährungsumstellung) und innovative eHealth-Lösungen.

Die Projektpartner wollen mehrere KI-gestützte eHealth-Plattformen entwickeln, die Gesundheitszustand, Krankheitsaktivität und Ernährung erfassen und sogenannte PROMs („Patient Reported Outcome Measures“) erheben. Auf diese Weise werden die Forschenden individualisierte Empfehlungen für eine bessere Erkennung, Behandlung und Prävention der Krankheiten entwickeln.

„Unser Ziel bei miGut-Health ist es, CED-Patientinnen und -Patienten, Menschen mit einem hohen Risiko für die Entwicklung von CED und Ärztinnen und Ärzte sowie das medizinische Fachpersonal zu unterstützen, indem wir sie in den Mittelpunkt unserer Forschung stellen und sehr früh einbinden“, sagt Projektkoordinator Professor Andre Franke.

Ein besseres Verständnis von CED auf molekularer Ebene

Durch die Analyse von Biomarkern für die Darmgesundheit wollen die Forschenden mehr über Probleme im Verdauungssystem erfahren und herausfinden, wie die Darmgesundheit verbessert werden kann. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei das Darmmikrobiom, also die Gesamtheit der im Darm lebenden Mikroorgansimen, sowie die Interaktion des Immunsystem mit diesem.

„Wir wollen in Stuhlproben zum einen nach Bakterien suchen, die vom Immunsystem als „gefährlich“ markiert worden sind – obwohl sie vielleicht gar nicht schädlich für den Körper sind -, und zum anderen nach schädlichen Bakterien, die übersehen worden sind – beides kann mit CED zusammenhängen“, erklärt PMI-Mitglied und miGut-Health-Partner Professor Mathieu Groussin, Mikrobiomexperte am IKMB. Die Bakterien, die vom Immunsystem erkannt worden sind, haben bestimmte Antikörper auf ihrer Oberfläche. „Und wir wissen bereits aus unserem Global Microbiome Conservancy Projekt, dass in Populationen von Industrieländern viel mehr dieser Antikörper auf Bakterien im Stuhl sitzen als in anderen Regionen der Welt, das Immunsystem hier also chronisch aktiv bzw. überreaktiv ist. Und genau in Industrieländern beobachten wir ein höheres CED-Vorkommen“, so Groussin weiter.

Zu den Studiengruppen für die Biomarkerforschung in miGut-Health gehören CED-Patientinnen und ‑Patienten, Risikopatientinnen und -Patienten und allgemeine Bevölkerungskohorten aus mehreren Ländern, u.a. von den Färöer-Inseln, die weltweit die höchste CED-Inzidenz aufweisen.

Das Projekt bringt bedeutende europäische und israelische Fachleute aus den Bereichen Biomedizin, Daten- und Sozialwissenschaften, Softwareentwicklung und europaweite Patientenorganisationen zusammen. Die Aktivitäten von miGut-Health sind offiziell am 27. Februar 2023 mit einer Kick-Off-Veranstaltung gestartet.

Wissenschaftlicher Kontakt:

Professor Dr. Andre Franke
Institut für klinische Molekularbiologie
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH)
 0431 500-15110
a.franke@ikmb.uni-kiel.de

Andre Franke
© SoulPicture, Uni Kiel

Prof. Dr. Andre Franke, Vorstandsmitglied im Exzellenzcluster PMI und Direktor am Institut für Klinische Molekularbiologie, CAU, UKSH.

Logo
© Eurice Office

Logo des EU-Projekts miGut-Health

Über miGut-Health:

miGut-Health – Personalised blueprint of intestinal health
Start: 1. Januar 2023
Dauer: 48 Monate
Budget: 7.5 Mio Euro  (7,1 Mio Euro Förderung durch die EU, 0,4 Mio Euro finanziert durch das Schweizerische Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) als finanzieller Beitrag an den Schweizer Partner)
Koordination: CAU/UKSH
Projekt-Partner:

  • Deutschland: UKSH, CAU, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Eurice - European Research and Project Office GmbH.
  • Litauen: Lithuanian University of Health Sciences
  • Niederlande: University Medical Center Groningen
  • Israel: Weizmann Institute of Science
  • Italien: Università Cattolica del Sacro Cuore
  • Schweden: Orebro University
  • Dänemark: Region Hovedstaden
  • Belgien: European Federation of Crohn's and Ulcerative Colitis Associations
  • Schweiz: École Polytechnique Fédérale de Lausanne

Projektwebsite miGut-health

Über den Exzellencluster PMI

Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 300 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel - Leibniz Lungenzentrum).

Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.

Pressekontakt:

Frederike Buhse
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster PMI

Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen“
Wissenschaftliche Geschäftsstelle
Leitung: Dr. habil. Susanne Holstein
Christian-Albrechts-Platz 4, D-24118 Kiel
Sonja Petermann
0431/880-4850, Telefax: 0431/880-4894
spetermann@uv.uni-kiel.de
Twitter: PMI @medinflame