Alle gleich? Die Bedeutung des Geschlechts für Medizin und Forschung

Exzellenzcluster “Precision Medicine in Chronic Inflammation” veranstaltete Symposium zum Thema geschlechtersensible Medizin und Frauen in der Wissenschaft.

In der Medizin ist das Geschlecht der Patientinnen und Patienten oft noch ein vernachlässigter Faktor. Dabei ist beispielsweise das Risiko, bestimmte Erkrankungen zu bekommen, geschlechtsabhängig und auch Diagnose, Krankheitsverlauf und Therapieansprechen können je nach Geschlecht unterschiedlich sein. Die Berücksichtigung von Geschlechts- und Genderaspekten bietet daher eine wertvolle Dimension für die Forschung und die Gesundheitsversorgung.

Wie ist der aktuelle Stand der geschlechtersensiblen Medizin, insbesondere in Bezug auf chronische Entzündungen? Welche Potentiale bieten genderspezifische Aspekte für die biomedizinische Forschung? Und: Warum sind Frauen in der Wissenschaft immer noch unterrepräsentiert? Um diese Fragen auf die Agenda zu bringen, hatte der Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) am 9.11.2023 zum Symposium „Sex and Gender Aspects in Precision Medicine“ ins Kieler Atlantic Hotel geladen. Rund 90 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachbereichen, insbesondere aus der klinischen und biomedizinischen Forschung sowie der geschlechtersensiblen Medizin, waren dem gefolgt, um gemeinsam mit den geladenen hochkarätigen Sprecherinnen und Sprechern diese Fragen auszuloten.

Den ersten Teil des Symposiums, mit dem Schwerpunkt geschlechtssensible Medizin, eröffnete Prof. Marek Glezerman von der Universität Tel Aviv, Gynäkologe, Gendermediziner und Buchautor („Frauen sind anders krank. Männer auch.“) und einer der weltweit renommiertesten Forscher zum Thema geschlechtsspezifische Medizin. Glezerman sprach über Geschlechtsunterschiede in der Medizin, wie beispielsweise Schmerzempfinden und Nebenwirkungen, und über die Bedeutung von geschlechts- und genderbewussten Medizin für die Präzisionsmedizin. Es folgten weitere Beiträge hochkarätiger Fachleute zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei chronischen Darmentzündungen, bei Impfungen und bei Herz-Kreislauferkrankungen.

„Bei mehreren Entzündungserkrankungen, wie beispielsweise Lupus und Rheuma, sehen wir sehr deutliche Unterschiede in der Geschlechtsverteilung bei den Erkrankten. Aber auch bei anderen Entzündungserkrankungen, bei denen es nicht so offensichtlich ist, spielt das Geschlecht der Patientinnen und Patienten eine Rolle, die bisher zu wenig beachtet worden ist. Wenn wir aber eine echte Präzisionsmedizin etablieren möchten, können wir diesen wichtigen Faktor nicht außen vor lassen“, betont Professorin Gabriela Riemekasten, Leiterin des Organisationsteams der Veranstaltung sowie Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des Exzellenzclusters PMI.

Der zweite Teil der Veranstaltung hatte den Schwerpunkt „Genderaspekte in der Wissenschaft“. Die Keynote-Lecture hielt eine der derzeit führenden deutschsprachigen Expertinnen auf diesem Gebiet: Professorin Sabine Oertelt-Prigione, Internistin und Professorin für geschlechtersensible Medizin an der Universität Bielefeld und Professorin für Gendermedizin an der Radboud University in Nijmegen, sprach darüber, warum biomedizinische Forschung geschlechts- und gendersensibel sein muss. Die weiteren Vorträge der geladenen Expertinnen schlugen die Brücke zu der Frage, warum Frauen in der Wissenschaft immer noch unterrepräsentiert sind, was man dagegen tun kann und welche Potentiale in einer ausgeglichenen Geschlechterverteilung liegen. 

Die Veranstaltung schloss ein interner Workshop von weiblichen Clustermitgliedern zusammen mit den geladenen externen Speakern. Gemeinsam loteten sie aus, welche weiteren Schritte der Cluster PMI aus den diskutierten Punkten ziehen kann. „Die neu gewonnenen Erkenntnisse werden auch in unseren Antrag des Exzellenzclusters PMI zu einer weiteren Förderphase einfließen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die geschlechter- und gendersensible Medizin zukünftig auch in die Arbeit unseres Exzellenzclusters stärker mit einzubeziehen und uns auch weiterhin für die Förderung von Frauen in der Wissenschaft einzusetzen“, sagt Professor Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters PMI. Eine wichtige Maßnahme des Exzellenzclusters zur Förderung der Chancengleichheit ist die Verleihung des hochdotierten Dorothea-Erxleben-Forscherinnenpreises (1 x 100.000 €, 2 x 50.000 €) an exzellente Wissenschaftlerinnen aus dem Cluster. Dieser wurde ebenfalls auf dem Symposium verliehen.

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Gabriela Riemekasten
Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie,
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, und Universität zu Lübeck
0451 500 45201
gabriela.riemekasten@uksh.de

Frau spricht vor einem Publikum
© S. Weimar / Exzellenzcluster PMI

Prof. Gabriela Riemekasten, Leiterin des Organisationsteams der Veranstaltung sowie Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des Exzellenzclusters PMI, eröffnet das Symposium "Sex and Gender Aspects in Precision Medicine".

Zuschauer
© S. Weimar / Exzellenzcluster PMI

Rund 90 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachbereichen, insbesondere aus der klinischen und biomedizinischen Forschung sowie der geschlechtersensiblen Medizin, waren der Einladung des Clusters zum Symposium "Sex and Gender Aspects in Precision Medicine" gefolgt.

Zuschauerinnen
© S. Weimar / Exzellenzcluster PMI

Das Symposium befasste sich im ersten Teil mit geschlechtssensibler Medizin, und der zweite Teil hatte den Schwerpunkt „Genderaspekte in der Wissenschaft“, in dem es insbesondere um die Unterrepräsentation von Frauen in der Wissenschaft ging.

zwei Frauen im Gespräch
© S. Weimar / Exzellenzcluster PMI

Prof. Sabine Oertelt-Prigione, Professorin für geschlechtersensible Medizin an der Universität Bielefeld und Professorin für Gendermedizin an der Radboud University in Nijmegen, im Gespräch am Rande des Symposiums. Sie hielt eine der Keynote-Lectures.

Über den Exzellencluster PMI

Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 300 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel - Leibniz Lungenzentrum).

Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.

Pressekontakt:

Frederike Buhse
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster PMI

Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen“
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