Rheuma-Medikament kann Impfschutz gegen Omikron mindern

Ein Forschungsteam des Exzellenzclusters PMI unter Leitung von Prof. Bimba Hoyer zeigt, dass die Antikörper gegen Corona nach einer Impfung bei gleichzeitiger anti-TNF-Therapie rasch absinken.

Ein Forschungsteam der Rheumatologie und Infektiologie am Campus Kiel hat die Wirkung von Corona-Impfstoffen bei Menschen mit chronischen Entzündungskrankheiten untersucht, die mit TNF-alpha-Blockern behandelt werden. Diese Wirkstoffe unterdrücken das Immunsystem und können so Krankheitsschübe zum Beispiel bei Morbus Crohn, Schuppenflechte (Psoriasis) oder rheumatoider Arthritis verhindern –aber auch den Impferfolg beeinflussen. Die Forschenden zeigten, dass die Langzeitwirkung von Corona-Impfstoffen bei diesen Patientinnen und Patienten deutlich vermindert ist und dass selbst eine dritte Impfung sie nicht ausreichend vor Omikron-Virusvarianten schützt. Zur Forschungsgruppe gehören Expertinnen und Experten des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“. Die Studie wurde im Journal of Medical Virology publiziert.

Bereits in früheren Studien zu den Auswirkungen der TNF-Blocker auf die Corona-Impfung wurde beobachtet, dass nach einer zunächst weitgehend normalen Immunantwort auf mRNA-Impfstoffe der Spiegel an neutralisierenden Antikörpern rascher absinkt als bei Menschen, die mit anderen antirheumatischen Wirkstoffen behandelt werden und bei gesunden Vergleichspersonen. Nun wurden erneut zehn Patientinnen und Patienten mit immunsuppressiver Therapie vor und nach der zweiten und dritten Impfung untersucht und mit 36 Kontrollpersonen verglichen. Schwerpunkt der aktuellen Studie waren mögliche Veränderungen des Impfschutzes gegen die kursierenden Omikron-Virusvarianten. 

Die Ergebnisse zeigten, dass sechs Monate nach der Impfung neutralisierende Antikörper nicht ausreichend auf Corona-Viren – und insbesondere nicht auf Omikron-Varianten – ansprechen. „Auch bei gesunden Menschen ist der Schutz gegen Omikron sechs Monate nach der zweiten Impfung herabgesetzt. Eine dritte Impfung verbessert den Schutz aber wieder deutlich. Patientinnen und Patienten unter TNF-alpha-Blocker-Therapie schützt jedoch selbst diese dritte Impfung nicht ausreichend“, sagt Prof. Dr. Bimba F. Hoyer, Leiterin des Exzellenzzentrums Entzündungsmedizin und der Sektion für Rheumatologie der Klinik für Innere Medizin I des UKSH, Campus Kiel, Professorin der CAU und federführende Autorin der Studie.

Das Forschungsteam wies außerdem nach, dass die Fähigkeit der Antikörper abnimmt, an Viruspartikel zu binden und so zu verhindern, dass Zellen infiziert werden. „Mit diesem Ergebnis hatten wir nicht gerechnet, da Anti-TNF-alpha-Patienten 14 Tage nach der zweiten Impfung ähnlich hohe Werte aufwiesen wie die Vergleichsgruppen. Auch nimmt die Bindungsstärke der gegen SARS-CoV-2 gerichteten Antikörper in den Monaten nach der Impfung in der Regel zu“, sagt Prof. Hoyer. Unterschiede fanden die Forschenden außerdem in der T-Zell-Immunantwort der Patientinnen und Patienten, die mit den TNF-Blockern behandelt wurden, im Vergleich zu Gesunden. Deutlicher ausgeprägt war der Unterschied allerdings bei der verminderten Antwort der B-Zellen, die für die Bildung von Antikörpern zuständig sind. 

Angesicht der Ergebnisse sei es wichtig, Menschen, die mit TNF-alpha-Blockern behandelt werden, besonders vor einer Corona-Infektion zu schützen, so die Forschenden. Infizieren sich die Patientinnen und Patienten dennoch, benötigen sie möglicherweise eine genaue Überwachung und frühzeitige Verabreichung von monoklonalen Antikörpern oder antiviralen Medikamenten. Empfohlen wird darüber hinaus die Verwendung eines Impfstoffs, der an die aktuelle Virusvariante angepasst ist, sobald er verfügbar ist.

Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Technischen Universität Braunschweig, der Endokrinologikum-Gruppe Berlin und mit dem Labor Dr. Krause und Kollegen MVZ GmbH in Kiel.

Originalarbeit:

Geisen, U.M., Rose, R., Neumann, F., Ciripoi, M., Vullriede, L., Reid, H.M., Berner, D.K., Bertoglio, F., Hoff, P., Hust, M., Longardt, A.C., Lorentz, T., Martini, G.R., Saggau, C., Schirmer, J.H., Schubert, M., Sümbül, M., Tran, F., Voß, M., Zeuner, R., Morrison, P.J., Bacher, P., Fickenscher, H., Gerdes, S., Peipp, M., Schreiber, S., Krumbholz, A. and Hoyer, B.F. (2022), The long term vaccine-induced anti-SARS-CoV-2 immune response is impaired in quantity and quality under TNFα blockade. J Med Virol. Accepted Author Manuscript.
https://doi.org/10.1002/jmv.28063 

Porträtfoto von Bimba F. Hoyer
© UKSH

Prof. Dr. Bimba F. Hoyer, Leiterin des Exzellenzzentrums Entzündungsmedizin und der Sektion für Rheumatologie der Klinik für Innere Medizin I des UKSH, Campus Kiel, Professorin der CAU und federführende Autorin der Studie.

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Dr. Bimba F. Hoyer
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Klinik für Innere Medizin I, Sektion für Rheumatologie
 0431/500-22203
bimba.hoyer@uksh.de  

Pressekontakt UKSH:

Oliver Grieve
Pressesprecher Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
 0173-4055 000
 Oliver.Grieve@uksh.de

Pressekontakt:

Kerstin Nees
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster PMI