Forschungspreis für Individualisierung der Tuberkulose-Therapie

Cluster-Mitglied Prof. Jan Heyckendorf und sein Team erhalten den DGP-Forschungspreis in Höhe von 10.000 Euro für die beste „Klinische Forschung“.

Der Lungenfacharzt und Tuberkulose-Experte des Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ Professor Jan Heyckendorf ist von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) mit dem DGP-Forschungspreis 2022 für die beste „Klinische Forschung“ ausgezeichnet worden. Heyckendorf ist seit Januar 2022 Professor für Pneumologie mit Schwerpunkt chronisch entzündlicher Lungenerkrankungen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und kommissarischer Leiter der Leibniz-Lungenklinik am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Den mit 10.000 Euro dotierten Preis erhält der zuvor am Forschungszentrum Borstel – Leibniz Lungenzentrum (FZB) tätige Mediziner gemeinsam mit dem Biologen Dr. Sebastian Marwitz und der Epidemiologin Maja Reimann, beide am FZB, für die Entdeckung eines neuen Biomarkers mit dem Ziel, die Dauer der Tuberkulosetherapie zu individualisieren.

Die Behandlung der Tuberkulose ist langwierig, anspruchsvoll und teuer. Insbesondere das immer stärkere Auftreten resistenter Tuberkulosebakterien erfordert viel Geduld: In diesen Fällen empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation in der Regel eine Standardbehandlungsdauer von mindestens 18 Monaten, da es bisher keine zuverlässigen Biomarker für eine vorzeitige Beendigung der Therapie gab. „Der fehlende Nachweis des Tuberkuloseerregers Mycobacterium tuberculosis ist aufgrund des Rückfallrisikos keine Garantie für eine dauerhafte Heilung der Lungeninfektion“, erklärt Heyckendorf. „Andererseits ist die lange Therapiedauer für die Betroffenen sehr belastend, da sie oft mehr als vier Antibiotika pro Tag einnehmen müssen und unter Nebenwirkungen leiden.“

Bluttest zur individuellen Therapiedauer

Um einen sicheren Anhaltspunkt für ein Therapieende zu finden, machte sich das Team um Professor Heyckendorf und Studienleiter Professor Christoph Lange, Medizinischer Direktor am FZB, auf die Suche nach alternativen Biomarkern. In der am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) durchgeführten Studie konnte in Zusammenarbeit mit internationalen Tuberkulosezentren auf der Basis von Patientenkohorten ein KI-basiertes Modell für das Therapieende entwickelt werden. Das Modell beruht auf einer RNA-Bestimmung im Blut. Der Forschungsgruppe war es in sechsjähriger Arbeit gelungen, einen Biomarker zu identifizieren, der anhand der Aktivität von 22 Genen auf ein individuelles Therapieende hinweist.

„Die Produktion der RNA dieser 22 Gene im menschlichen Blut kann uns sagen, ob der Patient geheilt ist“, fasst Heyckendorf zusammen. „Die Individualisierung der Behandlungsdauer ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Präzisionsmedizin bei Tuberkulose.“ Als nächsten Schritt planen die Forschenden eine prospektive Studie, in der die Patientinnen und Patienten in einem Studienarm so lange behandelt werden, wie es der Biomarker nahelegt, während die Erkrankten im anderen Arm so lange behandelt werden, wie es das nationale Tuberkuloseprogramm empfiehlt. „Wir sind zuversichtlich, dass es dann möglich sein wird, bei Patientinnen und Patienten mit multiresistenter Tuberkulose im Schnitt etwa ein Drittel der Behandlung einzusparen“, sagt Heyckendorf.

Wissenschaftlicher Kontakt

Prof. Dr. Jan Heyckendorf
Klinik für Innere Medizin I, Pneumologie, UKSH
0431 500-22220
Jan.Heyckendorf@uksh.de

Preisverleihung individualisierte Tuberkulosetherapie
© Mike Auerbach

DGP-Präsident Professor Torsten Bauer überreicht Professor Jan Heyckendorf (Mitte) und Maja Reimann den Forschungspreis.

Über den Exzellencluster PMI

Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 300 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel - Leibniz Lungenzentrum).

Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.

Pressekontakt
Kerstin Nees
Verantwortlich für diese Presseinformation

Oliver Grieve, Pressesprecher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein,
0173 4055 000
oliver.grieve@uksh.de

Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen“
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Leitung: Dr. habil. Susanne Holstein
Christian-Albrechts-Platz 4, D-24118 Kiel
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0431/880-4850, Telefax: 0431/880-4894
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