1,5 Millionen Euro EU-Förderung für Petra Bacher

Die Kieler Immunologin des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) erhält einen ERC Starting Grant, um die Interaktionen zwischen Immunsystem und Mikrobiom detailliert aufzuklären.

Der Schlüssel zum Verständnis von chronischen Entzündungskrankheiten liegt in dem Umgang unseres Immunsystems mit dem Mikrobiom, also den in und auf unserem Körper lebenden Mikroorganismen. Davon ist Professorin Petra Bacher überzeugt. Und genau das steht im Zentrum des Projekts MicroT, das der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) mit einem der renommierten Starting Grants in Höhe von 1,5 Millionen Euro für die nächsten fünf Jahre fördert. Die Abkürzung MicroT steht für Microbiota-T cell interactions – antigen-specificity and regulation in health and disease. „Wir müssen zunächst einmal verstehen, wie die gesunde Interaktion des Immunsystems mit den verschiedenen Mikroben aussieht, um dann zu erforschen, was bei Menschen mit chronisch entzündlichen Erkrankungen anders ist“, erklärt Bacher, die am Institut für Immunologie und am Institut für klinische Molekularbiologie (IKMB) eine Schleswig-Holstein Excellence-Chair Nachwuchsgruppe leitet. „Das Präsidium der Uni Kiel gratuliert Frau Bacher herzlich zu diesem großartigen Erfolg“, sagt Professor Eckhard Quandt, CAU-Vizepräsident für Forschung, Transfer, wissenschaftliche Infrastruktur und Digitalisierung. „Dass sie sich in dem Wettbewerb um die begehrten Fördermittel aus dem ERC-Fonds durchsetzen konnte, zeigt deutlich, welches Potenzial das Schleswig-Holstein Excellence-Chairprogramm für unseren talentierten wissenschaftlichen Nachwuchs aber auch für unsere Universität bietet.“ Der Sprecher des Exzellenzclusters PMI, Professor Stefan Schreiber lobt das innovative und ambitionierte Projektvorhaben von Petra Bacher, die kürzlich auch den Dorothea-Erxleben-Forscherinnenpreis des Clusters erhalten hat. „Ihre Forschung, folgt in besonderem Maß der Mission des Clusters, eine Präzisionsmedizin für chronische Entzündungskrankheiten zu etablieren, indem sie die individuelle Variabilität des Menschen und seiner Umwelt berücksichtigt“, betont der Direktor des IKMB und Leiter der Klinik für Innere Medizin I des UKSH, Campus Kiel. „Besonders erfreulich für uns ist, dass hier wieder eine hoch qualifizierte Frau diese Anerkennung ihrer Exzellenz erfährt“

Mikrobielle Vielfalt und spezifische Immunreaktionen

Die Immunologin konzentriert sich in ihrer Forschung auf die Rolle von bestimmten Zellen des Immunsystems, den T-Zellen, die eine zentrale Rolle in der Abwehr haben. Über ihren T-Zell-Rezeptor können sie ganz spezifisch ein bestimmtes Antigen (Fremdeiweiß) erkennen und eine zum Antigen passende Immunantwort auslösen. Bacher: „Es gibt zum Beispiel T-Zellen, die den Darmkeim E-coli entdecken oder solche, die den Hefepilz Candida albicans aufspüren und wiederum andere, die gegen eine Vielzahl verschiedener Hautmikroben reagieren. Wir wollen verstehen, wie die T Zellreaktion gegen Mikroben funktioniert und reguliert wird. Es gibt unendlich viele Mikroben und nur ein limitiertes Set von T-Zellen. Trotzdem sind sie in der Lage, die unterschiedlichen Mikroben spezifisch zu erkennen und angemessen zu reagieren. Denn verschiedene Mikroben erfordern jeweils eine spezielle Art der Immunreaktion, um die physiologische Balance zwischen Mensch und Mikrobe zu erhalten.“ In einem zweiten Schritt will die Wissenschaftlerin mit ihrer Arbeitsgruppe aufklären, was bei chronisch entzündlichen Erkrankungen falsch läuft. Denn unangemessene oder zu starke Immunreaktionen können zu Autoimmunerkrankungen, chronischen Entzündungen oder Allergien führen. „Wir müssen zunächst verstehen, wie die Interaktion im gesunden Zustand abläuft, um bestimmen zu können, was die falsche Reaktion ist. Und das gucken wir uns konkret in Blutproben von Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Erkrankungen des Darms (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) und der Haut (Psoriasis, atopische Dermatitis) an, also genau den Stellen am Körper, die massiv mit Mikroben besiedelt sind.“

Ziel: Krankmachende Immunprozesse ausschalten

Das Besondere an dem Projekt von Petra Bacher ist die Konzentration auf die Antigenspezifität. Bisher sei nicht bekannt, welche Mikroben bei Menschen spezifische T-Zell-Reaktionen auslösen, wie die Interaktion mit der riesigen Anzahl verschiedener Mikrobenarten reguliert wird und wie Veränderungen zu Krankheiten beitragen. „In vorherigen Arbeiten haben wir eine hochempfindliche Technologie entwickelt, mit der mikrobenspezifische T-Zellen direkt aus menschlichen Proben nachgewiesen und eingehend charakterisiert werden können. Wir werden die Methode verwenden, um herauszufinden, welche Mikroben überhaupt T-Zell-Reaktionen auslösen.“ Darüber hinaus sollen in dem Projekt auch die molekularen Mechanismen entschlüsselt werden, die die chronische Interaktion von T-Zellen mit der äußerst vielfältigen Mikrobiota regulieren. Ziel ist letztlich, die zugrundeliegenden Mechanismen von immun­vermittelten Krankheiten besser zu verstehen und Therapieansätze zu entwickeln, die ganz gezielt nur die krankmachenden Zellen ausschalten. „Das ist momentan noch nicht möglich. Bisherige Therapien sind darauf ausgelegt, insgesamt die Entzündung zu unterdrücken. Aber man möchte ja eigentlich nur das ausschalten, was wirklich die Probleme macht“, betont Bacher.

Das Forschungsprojekt erfolgt in Kooperation mit Professor Stefan Schreiber, Klinik für Innere Medizin I, Professor Stephan Weidinger, Klinik für Dermatologie, Professorin Claudia Baldus, Klinik für Innere Medizin II mit den Schwerpunkten Hämatologie und Onkologie, alle Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel und Professor Jan Rupp, Klinik für Infektiologie und Mikrobiologie, UKSH, Campus Lübeck.

Über Petra Bacher

Petra Bacher (Jahrgang 1984) ist seit Juli 2018 Professorin für Immunologie und Immunogenetik an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sie leitet die Schleswig-Holstein Excellence-Chair Nachwuchsgruppe Intestinale Immunregulation, die am Institut für Immunologie und am IKMB von CAU und UKSH angesiedelt ist. Seit ihrer Promotion (2014) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena erforscht Bacher die Rolle des Immunsystems bei chronischen Entzündungserkrankungen mit besonderem Fokus auf bestimmte Immunzellen, die CD4+ T-Zellen, die Krankheitserreger und Fremdkörper gezielt erkennen. Obwohl diese T-Zellen wichtig für eine gesunde Immunantwort sind, können bestimmte T-Zellreaktionen auch zu Krankheiten und chronischen Entzündungen führen. Vor dem Wechsel an die Universität Kiel war Bacher Postdoktorandin an der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die Immunologin hat bereits verschiedene Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Robert-Koch-Förderpreis 2020 und den Dorothea-Erxleben-Forscherinnenpreis 2021 des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI).

ERC Starting Grant

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) wurde 2007 eingerichtet und fördert auf EU-Ebene risikoreiche, grundlagenorientierte Forschung. Er wird über das Forschungsrahmenprogramm der EU finanziert. Mit den Starting Grants unterstützt der ERC die wissenschaftliche Unabhängigkeit exzellenter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zwischen zwei und sieben Jahren nach der Promotion durch den Aufbau eines Forschungsteams.

Petra Bacher
© Jürgen Haacks, Uni Kiel

Petra Bacher, Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen, Professorin für Immunologie und Immunogenetik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Medizinische Fakultät, und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel.

Weiterführende Informationen:

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Petra Bacher
Institut für Immunologie, CAU und UKSH
0431 500-31005
Petra.Bacher@uksh.de