Elf Millionen Euro für EU-Projekt zu Entzündungskrankheiten: Kieler Forschende koordinieren internationale Zusammenarbeit
Neues Projekt „PerPrev-CID“ entwickelt innovative Methoden zur Frühdiagnose und personalisierten Prävention von Rheumatoider Arthritis und entzündlichen Darmerkrankungen
Rheumatoide Arthritis (RA) und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) gehören zu den häufigsten chronisch-entzündlichen Erkrankungen (CIDs). Trotz intensiver Forschungsanstrengungen stehen derzeit noch keine Mittel zur Vorbeugung und frühzeitigen Behandlung dieser Krankheiten zur Verfügung. Das europäische Forschungsprojekt PerPrev-CID („Personalised Disease Prediction and Prevention in Chronic Inflammatory Disorders“) hat sich zum Ziel gesetzt, diese Lücke zu schließen und neue Standards für die Diagnostik und Behandlung dieser Krankheiten zu entwickeln, um den Betroffenen eine effektivere Versorgung zu bieten.
Das Projekt wird vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) koordiniert und vereint 15 internationale Forschungseinrichtungen aus 8 Ländern. Es wird mit insgesamt 11 Millionen Euro aus dem Forschungs- und Innovationsrahmenprogramm „Horizon Europe“ der Europäischen Union über fünf Jahre gefördert. Zusätzlich stellt die Schweizer Regierung 2,5 Millionen Euro für die Mitwirkenden aus der Schweiz bereit.
Bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen handelt es sich um Störungen des Immunsystems, die durch unkontrollierte Entzündungen in verschiedenen Organsystemen gekennzeichnet sind und Gewebeschäden zur Folge haben können. Sie sind mit erheblichen Belastungen für Betroffene und Gesundheitssysteme verbunden. Bis 2030 wird prognostiziert, dass mehr als zehn Prozent der europäischen Bevölkerung davon betroffen sein werden. Gleichzeitig besteht ein erheblicher medizinischer Bedarf, insbesondere in den Bereichen Prävention und frühzeitige Intervention.
Ziel der Studie: Frühe Krankheitsentwicklung erkennen
Im Zentrum des Projekts steht die Entwicklung innovativer Werkzeuge und Methoden, um Krankheitsrisiken früher erkennen und gezielt behandeln zu können. „Unser Ziel ist es, ein tieferes Verständnis für die frühe Krankheitsentwicklung zu gewinnen. Dazu konzentrieren wir uns auf die Erforschung von Mechanismen, Biomarkern und innovativen, patientenzentrierten Ergebnisindikatoren. Die aktuelle Entwicklung innovativer molekularer Technologien und computergestützter Methoden eröffnet uns hierbei völlig neue Perspektiven“, erklärt Prof. Dr. Philip Rosenstiel, Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie am UKSH, Campus Kiel, und wissenschaftlicher Koordinator des PerPrev-CID-Konsortiums.
PerPrev-CID baut auf früheren und laufenden Forschungsbemühungen der EU zur Optimierung gezielter Therapien auf. Dabei werden Daten aus sogenannten Omics-Analysen (z. B. Genomics, Lipidomics, Metabolomics, Proteomics) sowie klinische Risikoprofile von Betroffenen untersucht, um Merkmale zu finden, die Übergänge zu aktiven Krankheitsphasen, ein Fortschreiten der Krankheit und frühe Rückfälle vorhersagen. Zur besseren Überwachung des individuellen Krankheitsverlaufs und des Wohlbefindens der Patientinnen und Patienten entwickelt PerPrev-CID sichere digitale Gesundheitstechnologien wie Wearables und Apps, die eine kontinuierliche digitale Überwachung von Gesundheitsdaten ermöglichen. Zudem sollen neue Biomarker identifiziert werden, die mit Heimtests aus Blut- und Stuhlproben festgestellt werden können. Außerdem wird untersucht, ob eine Ernährungsumstellung, die auf den Tryptophan-Stoffwechsel abzielt, bei früherer RA und CED hilfreich sein kann.
Patientenzentrierte Forschung für bessere Behandlungserfolge
„Ein Paradigmenwechsel hin zu früheren Interventionen ist entscheidend, um die Ergebnisse für Betroffene zu optimieren“, sagt Prof. Dr. Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I am UKSH, Campus Kiel, und Sprecher des Exzellenzclusters PMI, der den klinischen Interventionsbereich von PerPrev-CID leitet. „Wenn wir diese Krankheiten wirksamer behandeln wollen, müssen wir neue, einfach anwendbare Methoden finden, um die Gesundheit der Betroffenen frühzeitig positiv zu beeinflussen.“
Mit diesen Bemühungen und einem starken Fokus auf Patientenbeteiligung trägt das Projekt erheblich dazu bei, Patientinnen und Patienten zu stärken und die patientenzentrierte Forschung voranzutreiben. „Wir wollen den traditionellen Top-Down-Ansatz in der medizinischen Forschung durchbrechen, indem wir kooperative Ansätze fördern, bei denen Patientinnen und Patienten und Personen mit erhöhtem Risiko für RA und CED als aktive Beteiligte in den Forschungsprozess eingebunden werden. Dies ermöglicht ihnen, aktiv an Entscheidungen zu ihrer Gesundheit mitzuwirken“, erläutert Prof. Rosenstiel.
Darüber hinaus wird PerPrev-CID medizinischen Fachkräften wissenschaftlich validierte Daten zu Ernährung und Lebensstilfaktoren bereitstellen, die eine personalisierte Patientenversorgung ermöglichen. Diese Ressourcen dienen als Blaupause für die künftige personalisierte Gesundheitsvorsorge und tragen zur Weiterentwicklung der patientenzentrierten klinischen Praxis bei.
Kontakt:
Prof. Dr. Philip Rosenstiel
Medizinische Fakultät, CAU
Institut für Klinische Molekularbiologie, CAU Kiel, UKSH
Tel.: 0431/500-15105
p.rosenstiel@mucosa.de
Projektmanagement:
EURICE – European Research and Project Office GmbH
Dr. Lorena Consolino
l.consolino@eurice.eu
Hintergrundinformationen:
Titel: Personalisierte Krankheitsvorhersage und Prävention bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen (PerPrev-CID)
Start: 1. Januar 2025
Dauer: 60 Monate
Budget: 11 Mio. € (Europäische Kommission) + 2,5 Mio. € (Schweizer Regierung)
Koordinator: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Deutschland
Website: www.perprev-cid.eu
LinkedIn: www.linkedin.com/showcase/perprev-cid
Projektpartner:
Belgien
European Federation of Crohn`s And Colitis Associations
Université de Liège
VIB VZW
Deutschland
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE)
European Research and Project Office GmbH (EURICE)
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel (UKSH)
Israel
Weizmann Institute of Science
Italien
Università Cattolica del Sacro Cuore
Litauen
Lietuvos Sveikatos Mokslu Universitetas
Lietuvos Sveitakos Mokslu Universiteto Ligonine Kauno Klinikos
Niederlande
Stichting Radboud Universiteit
Schweiz
European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR)
Université de Genève
Vereinigtes Königreich
The University of Manchester
Über den Exzellenzcluster PMI
Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 400 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel - Leibniz Lungenzentrum).
Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.
Pressekontakt:
fbuhse@uv.uni-kiel.de0431/880 4682
Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen“
Wissenschaftliche Geschäftsstelle
Christian-Albrechts-Platz 4, D-24118 Kiel
Sonja Petermann
0431/880-4850
spetermann@uv.uni-kiel.de
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