EU-Projekt: Besser erkennen, wem welche Behandlung helfen wird

Wissenschaftler des Exzellenzclusters PMI beteiligen sich am großangelegten Forschungsprojekt 3TR zur Erforschung von Ansprechen auf Therapien bei chronischen Entzündungen.

Chronische Entzündungserkrankungen, Autoimmunerkrankungen und Allergien betreffen Millionen Menschen weltweit. Sie sind eine große Belastung für Betroffene und Angehörige und stellen das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen. Zwar gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, doch nicht jede Therapie hilft jedem Betroffenen. Bisher ist es schwer vorherzusagen, welche Therapie für wen die beste ist, und wie sich die Krankheit bei der jeweiligen Patientin oder dem jeweiligen Patienten weiter entwickeln wird. Um das zu ändern, haben sich Expertinnen und Experten aus den Bereichen Klinik, Grundlagenforschung und Wirtschaft im EU-geförderten Projekt 3TR (Taxonomy, Treatment, Targets and Remission) zusammengetan. Sie wollen die molekularen Mechanismen genauer verstehen, die darüber entscheiden, ob individuelle Erkrankte auf bestimmte Therapien ansprechen, nicht ansprechen oder nach einiger Zeit die Erkrankung zurückkehrt. So wollen sie auch geeignete Biomarker identifizieren, also messbare Merkmale, mit deren Hilfe die für die einzelne Patientin und den einzelnen Patienten am besten geeignete Therapie ausgewählt und so die Krankenversorgung deutlich verbessert werden könnte.

„Nur bei etwa 20 bis 30 Prozent aller Patientinnen und Patienten mit chronischen Entzündungen kontrollieren die modernen Therapien die Krankheitsaktivität vollständig. Wenn wir schon früh erkennen könnten, dass eine Therapie bei einer bestimmten Patientin oder einem bestimmten Patienten nicht erfolgreich sein wird, könnten wir ihr oder ihm diese und damit auch unnötige Nebenwirkungen direkt ersparen“, erklärt Professor Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI), Direktor der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel und am Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Im 3TR-Projekt wird er die klinische Forschung zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen koordinieren. „Das Projekt wird das hohe Niveau von Forschung und Patientenversorgung am Standort Kiel weiter stärken“, so Schreiber.

In dem großangelegten EU-Projekt wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sieben Erkrankungen intensiv beforschen, die alle im Zusammenhang mit einem fehlgeleiteten Immunsystem stehen: Systemischer Lupus Erythematosus, Rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Asthma. Obwohl diese Erkrankungen verschiedene Gewebe oder Organe betreffen und sich in ihren Symptomen zum Teil massiv unterscheiden, haben Studien gezeigt, dass sie auf der Ebene der Krankheitsgene Gemeinsamkeiten haben. „Diese auf den ersten Blick unterschiedlichen Erkrankungen könnten also gemeinsame Mechanismen haben, die beeinflussen, ob jemand auf eine Therapie anspricht und wie sich die Krankheit weiterentwickelt“, sagt Professor Andre Franke, Direktor am IKMB und Vorstandsmitglied von PMI.

Die 3TR-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden Zugang zu einer ungewöhnlich großen Menge an klinische Daten und Bioproben von mehr als 50.000 Patientinnen und Patienten aus 50 verschiedenen klinischen Studien haben. Durch die große Datenmenge und den Ansatz die sieben Erkrankungen gemeinsam in den Blick zu nehmen, erhoffen sich die Forschenden deutlich genauere und umfassendere Erkenntnisse, als durch die bisherigen einzelnen Studien. „So wollen wir auch herausfinden, wie bestimmte Fehlprogrammierungen in Abwehrzellen des Immunsystems dazu führen, dass Patientinnen und Patienten auf bestimmte Therapien nicht ansprechen“, sagt Professor Philip Rosenstiel, Vorstandsmitglied des Exzellenzclusters PMI und Direktor am IKMB, der bei 3TR die Forschungsprojekte zum Mikrobiom und zur Einzelzell-Sequenzierung mitkoordiniert. „Mit neuen Techniken können wir diese Programmierungen bis zur einzelnen Zelle auflösen. Wir hoffen so Biomarker zu finden, mit deren Hilfe die Erkrankungen zukünftig präziser behandelt werden können.“ Ein Ansatz der Präzisionsmedizin, den auch der Exzellenzcluster PMI über das gesamte Spektrum der chronischen Entzündungserkrankungen verfolgt.

Im EU-Projekt 3TR arbeiten 69 Partnerorganisationen aus 15 europäischen Ländern zusammen, darunter Hochschulen, Kliniken, pharmazeutische Unternehmen und Patientenorganisationen. Das Projekt wird über sieben Jahre mit 80 Millionen Euro durch die Innovative Medicine Initiative 2 (IMI2) gefördert, eine gemeinsame Initiative der Europäischen Union und der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations EFPIA, einem europäischen Dachverband der nationalen Verbände forschender Pharmaunternehmen. Das Projekt ist Ende Oktober mit einem Kick-Off-Treffen in Granada offiziell gestartet.

Frau vor Regal mit Bioproben
© Oliver Franke, IKMB

Im EU-Forschungsprojekt 3TR werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler klinische Daten und Bioproben von mehr als 50.000 Patientinnen und Patienten analysieren.

Über 3TR:

Vollständiger Projekttitel: Taxonomy, Treatment, Targets and Remission. Identification of the Molecular Mechanisms of non-response to Treatments, Relapses and Remission in Autoimmune, Inflammatory, and Allergic Conditions.
Start: 1.9.2019
Dauer: 84 Monate
Budget: 80.648.000 €
Gesamtkoordination: Fundación Pública Andaluza Progreso y Salud (FPS)
Projekt-Leitung: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH

Weitere Informationen über 3TR

Kontakte:

Prof. Dr. Stefan Schreiber
Klinik für Innere Medizin I, UKSH
Institut für Klinische Molekularbiologie, CAU Kiel, UKSH
0431/500-15101
s.schreiber@mucosa.de 

Prof. Dr. Philip Rosenstiel
Institut für Klinische Molekularbiologie, CAU Kiel, UKSH
0431/500 15111
p.rosenstiel@mucosa.de

Prof. Dr. Andre Franke
Institut für Klinische Molekularbiologie, CAU Kiel, UKSH
0431/500-15112
​​​​​​​a.franke@mucosa.de

Über den Exzellencluster PMI

Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 300 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel - Leibniz Lungenzentrum).

Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.

Pressekontakt:

Frederike Buhse
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster PMI

Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen“
Wissenschaftliche Geschäftsstelle
Leitung: Dr. habil. Susanne Holstein
Christian-Albrechts-Platz 4, D-24118 Kiel
Sonja Petermann
0431/880-4850, Telefax: 0431/880-4894
spetermann@uv.uni-kiel.de
Twitter: PMI @medinflame