Professor Thomas F. Meyer erhält die Robert-Koch-Medaille in Gold für sein Lebenswerk

Eine der höchsten Auszeichnungen in der Infektionsbiologie geht dieses Jahr an zukünftigen Kieler Seniorprofessor

Die Robert-Koch-Medaille in Gold, eine der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnungen auf dem Gebiet der Infektionsmedizin, geht in diesem Jahr an den deutschen Infektiologen Professor Thomas F. Meyer. Das hat die Robert-Koch-Stiftung heute (Montag, 8. Juni) bekannt gegeben. Damit würdigt die Stiftung das herausragende wissenschaftliche Lebenswerk von Professor Meyer, der bis heute Meilensteine in der Infektionsforschung bis hin zur Aufdeckung ursächlicher Mechanismen der Krebsentstehung setzte. Professor Meyer, derzeit Direktor der Abteilung Molekulare Biologie am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, wird seine Arbeit im Bereich der Infektions-und Krebsforschung zukünftig als Seniorprofessor an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) vorantreiben und damit auch die Forschung im Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) bereichern. Die Verleihung der Medaille findet am 13. November 2020 in Berlin statt.

„Schon immer während meiner wissenschaftlichen Laufbahn war ich von der Erforschung grundlegender Zusammenhänge fasziniert und setzte hierzu innovative Methoden ein“, sagt Professor Meyer. „Die Robert-Koch-Medaille in Gold ist eine große Anerkennung dafür“, so der Infektionsbiologe weiter. Meyers wissenschaftliche Schwerpunkte liegen in der Erforschung der molekularen Mechanismen bakterieller und viraler Infektionen, der besonderen Bedeutung von Wirtszellen im Verlauf einer Infektion, der Entwicklung oraler Lebendimpfstoffe und des Konzepts der „wirtsgerichteten Therapie“ wie auch dem Verständnis der Rolle bakterieller Krankheitserreger bei der Krebsentstehung. Viele der Entdeckungen aus Meyers Labor fanden mittlerweile Einzug in Standardlehrbücher.

Meyer wird Seniorprofessor an der Universität Kiel

Mit einer jüngst an ihn vergebenen Förderung des European Research Councils (ERC Grant) wird Meyer seine zukunftsweisende Forschung zur Rolle von Infektionen bei der Krebsentstehung des Menschen in den kommenden Jahren fortführen können. Nach mehreren Berufungen als Honorar- und Seniorprofessor an nationale und internationale Universitäten, will sich Meyer nun an seinem zukünftigen Hauptstandort, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), aktiv in wichtige Aspekte der Infektions- und Krebsforschung einbringen.

„Im Namen des gesamten Präsidiums gratuliere ich Professor Meyer recht herzlich zu dieser herausragenden Auszeichnung. Sie unterstreicht gemeinsam mit den zahlreichen weiteren Preisen und Förderungen die Bedeutung von Meyers Forschungsarbeit im Bereich der Infektiologie“, sagt die CAU-Vizepräsidentin für Forschung, Professorin Karin Schwarz. „Wir sind sehr stolz, dass Professor Meyer seine neue wissenschaftliche Heimat bei uns an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat. Die enge Integration von Medizin, Biologie und Ernährungswissenschaften, für die Professor Meyer steht, stellt eine wissenschaftlich zukunftsweisende Erweiterung für unseren Forschungsschwerpunkt in den Lebenswissenschaften dar“, so Schwarz weiter. Mit der auf fünf Jahre befristeten Seniorprofessur werden ausgewählte, herausragende Persönlichkeiten mit national und international beachteten Forschungs- oder besonderen Lehrleistungen geehrt. Thomas Meyer tritt sein neues Amt am 1. September dieses Jahres in Kiel an.

„Ich freue mich sehr, dass Herr Professor Meyer seine hochkarätige Forschung an der Medizinischen Fakultät der CAU fortführen wird. Seine Entscheidung für unsere Fakultät ehrt uns und unterstreicht die hohe wissenschaftliche Attraktivität der Medizin und Lebenswissenschaften in Kiel“, sagt Professor Joachim Thiery, Dekan der Medizinischen Fakultät der CAU und Vorstand für Forschung und Lehre des UKSH. „Mit seiner international hochgeschätzten Expertise wird er auch die Arbeit des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ vorantreiben und dabei helfen, Entzündungen unter der Herausforderung von Infektionen genauer zu verstehen“, so Thiery weiter. „Ich freue mich zudem, dass wir mit Herrn Professor Thomas Meyer einen Wissenschaftler und Hochschullehrer gewonnen haben, der seine einzigartige Expertise in „the next generation of biological tools“, der Herstellung kleiner Organsysteme aus Zellen („Organoide“), auch an unsere Kieler Promovierenden und Postdocs weitergeben wird. Die aktuelle Forschungsarbeit von Professor Meyer eröffnet zudem neue Wege im gezielten Kampf gegen die Infektion mit Sars-CoV-2 und stärkt wesentlich den Zukunftsweg der Mikrobiom- und Entzündungsforschung in Kiel.“

Entwicklung der wirtsgerichteten Therapie bei Infektionen

Meyer formulierte bereits früh die provokante Hypothese, dass man Infektionserreger auch auf Seiten des Wirts, also durch eine Blockade in menschlichen Zellen, ausschalten könne und nicht nur wie bisher durch erregergerichtete Antibiotika bzw. antivirale Substanzen. Er befasste sich über viele Jahre mit der Rolle von Wirtskomponenten bei Infektionsvorgängen und beteiligte sich maßgeblich an der Entwicklung des Konzepts der „wirtsgerichteten“ Therapie. Sie bildet mittlerweile neben dem Einsatz von Impfstoffen und Antibiotika eine dritte Säule der modernen Erregerbekämpfung. Ein besonderer Vorteil ist, dass sich damit gefürchtete Resistenzentwicklungen verhindern lassen und es möglich wird, bewährte Medikamente für andere Erkrankungen, wie z.B. Krebs, auch zur Abwehr von Infektionen zu nutzen.

Bedeutung von Krankheitserregern bei der Krebsentstehung

An diese Untersuchungen schloss sich die Frage nach dem Schicksal von Wirtszellen an, die eine Infektion durchlaufen haben: Werden menschliche Zellen bei einer Infektion so geschädigt, dass sie weitere Krankheiten im Körper verursachen können? Vom Krankheitserreger „Helicobacter pylori“ weiß man, dass er nicht nur Magengeschwüre, sondern auf lange Sicht auch Magenkrebs auslösen kann. Meyer suchte nach einem „Fingerabdruck“, einer genetischen Signatur, um den Beweis für einen Zusammenhang zwischen Infektion und Krebsentstehung zu erbringen, und wurde fündig. Tatsächlich untermauern seine jüngsten Forschungsergebnisse nicht nur die Bedeutung von Helicobacter bei der Entstehung von Magenkrebs; sie bezeugen auch die Wirkung gewisser Darmbakterien, die das menschliche Erbgut mit einem Gift schädigen. Wie Meyer in seinen Untersuchungen herausfand, verursacht ein Toxin des Bakteriums „Escherichia coli“ ein bestimmtes Muster von Mutationen im menschlichen Darm, das Jahre später in den Zellen einer Gruppe von Darmkrebspatientinnen und -patienten als Fingerabdruck wiedergefunden wurde. Diese Beobachtungen liefern erstmals einen klaren Beweis für die Rolle des Erregers bei der Krebsentstehung im Menschen.

Labortestsystem für Medikamente gegen Covid-19

Bereits in den 1990er Jahren hatte Meyer damit begonnen, organähnliche Strukturen im Labor zu entwickeln, um daran Infektionsprozesse wie auch die Entstehung von Krebszellen besser zu verstehen. Inzwischen hat Meyers Forschungsteam solche sogenannten „Organoide“ aus Epithelzellen verschiedener Organe wie beispielsweise auch aus der Lunge entwickelt. Die Lungen-Testsysteme hatte Meyer bereits für Studien mit Influenza-Viren verwendet. Da diese Zellen den sogenannten ACE-2 Rezeptor ausprägen, der dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 als Eintrittspforte in die menschliche Lunge dient, verwendet sie Meyer nun, um potentielle Medikamente gegen Covid-19 zu testen.

 

Lebenslauf von Prof. Dr. Thomas F. Meyer

Thomas F. Meyer studierte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Biologie und schloss sein Studium mit dem Diplom in den Fächern Mikrobiologie, Genetik, Biochemie und Chemie im Jahr 1977 ab. Dort promovierte er zwei Jahre später mit Auszeichnung (‚summa cum laude‘) zum Doktor der Naturwissenschaften. Im Jahr 1980 zog es ihn als Postdoc zum Cold Spring Harbor Laboratory New York unter der damaligen Leitung von James D. Watson, wo er gemeinsam mit Magdalena So ein neues Vorhaben zur Erforschung der molekularen Mechanismen der antigenen Variation bakterieller Oberflächenproteine initiierte. Diese viel beachtete Arbeit setzte er 1981 am Public Health Research Institute of New York City unter der Leitung von Richard P. Novick und danach ab 1982 am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in der Abteilung von Hartmut Hoffmann-Berling fort. Im Jahr 1983 übernahm Thomas Meyer eine Position als Gruppenleiter am neu gegründeten Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) und wurde 1985 als Forschungsgruppenleiter an das Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen berufen. Dort führte er seine wegweisenden Entdeckungen zur molekularen Pathogenese von Mikroorganismen fort. Schon bald erhielt er mehrere Angebote renommierter Institute, u.a. zum Leiter des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Verbindung mit einer Professur an der Universität Hamburg oder zum Direktor des Instituts für Molekularbiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Im Jahr 1990 nahm er daraufhin den Ruf zum Direktor der selbstständigen Abteilung für Infektionsbiologie am MPI für Biologie in Tübingen an, die er bis in das Jahr 2000 leitete. Seine Faszination an der Forschung führte Thomas Meyer schließlich im Jahr 1994 nach Berlin, wo er sich als Direktor der Abteilung Molekulare Biologie an der Gründung des MPI für Infektionsbiologie in Berlin beteiligte. Seit 1989 bzw. 2001 engagiert er sich u.a. als gewähltes Mitglied der Europäischen Organisation für Molekularbiologie (EMBO) und der Deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Ab September wird Meyer an seinem zukünftigen Hauptstandort, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, als Seniorprofessor seine Forschung fortsetzen.

Über die Robert-Koch-Stiftung

Die Robert-Koch-Stiftung e. V. ist eine 1907 gegründete gemeinnützige Stiftung zur Förderung des medizinischen Fortschritts mit Sitz in Berlin. Sie fördert die wissenschaftliche Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten sowie beispielhafte Projekte zur Lösung medizinischer und hygienischer Probleme. Die Stiftung vergibt alljährlich mehrere hochrangige wissenschaftliche Auszeichnungen: Die Robert-Koch-Medaille in Gold, den Robert-Koch-Preis, drei Auszeichnungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und den Preis für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention.

Kontakt:

Prof. Joachim Thiery
Dekan der medizinischen Fakultät der CAU
0431/500-14422
thiery@med.uni-kiel.de

Goldene Medaille
© David Außerhofer

Die Robert-Koch-Stiftung verleiht jährlich die Robert-Koch-Medaille in Gold, um das herausragende Lebenswerk von Wissenschaftlern zu würdigen. Unter den bisherigen Preisträgern befinden sich mehrere spätere Nobelpreisträger.

Portraitfoto
© Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie / David Ausserhofer

Professor Thomas F. Meyer, zukünftiger Seniorprofessor an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität, erhält dieses Jahr die Robert-Koch-Medaille in Gold für sein herausragendes wissenschaftliches Lebenswerk.

Über den Exzellencluster PMI

Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 300 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel - Leibniz Lungenzentrum).

Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.

Pressekontakt:

Frederike Buhse
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster PMI

Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen“
Wissenschaftliche Geschäftsstelle
Leitung: Dr. habil. Susanne Holstein
Christian-Albrechts-Platz 4, D-24118 Kiel
Sonja Petermann
0431/880-4850, Telefax: 0431/880-4894
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